Bessere Regeln und eine stärkere Rolle des EU-Amtes für geistiges Eigentum sind der Schlüssel zur Bewahrung des kulturellen und gastronomischen Erbes Europas, das einen Umsatz von 74,76 Milliarden Euro ausmacht
In der auf der Plenartagung am 30. November verabschiedeten Stellungnahme unterstützt der Europäische Ausschuss der Regionen (AdR) den Vorschlag der Europäischen Kommission, die drei Systeme für geografische Angaben (g.A.) zu einem einzigen System mit gemeinsamen Bestimmungen für landwirtschaftliche Erzeugnisse, Lebensmittel, Weine und Spirituosen zusammenzuführen. Der AdR begrüßt insbesondere die Übertragung eines Teils der Prüfung der Dossiers an das Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO), das über wirksame Instrumente verfügt, die von den Erzeugern geografischer Angaben zur Vereinfachung der Eintragungsverfahren, zur Verbesserung der Überwachung der geografischen Angaben und zur Betrugsbekämpfung genutzt werden können.
Geografische Angaben sind Teil des Kultur- und Gastronomieerbes der Europäischen Union und machen Umsätze in Höhe von 74,76 Milliarden Euro und damit 15,5 % aller Agrar- und Lebensmittelausfuhren der EU aus. In Zeiten explodierender Preise für landwirtschaftliche Rohstoffe ist die Erzeugung von Qualitätsprodukten in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht von erheblicher Bedeutung für die Ursprungsregionen, insbesondere durch ihre stabilisierende Wirkung auf die regionale Wirtschaft.Sie trägt auch dazu bei, Investitionen, Forschung und Innovation in den Regionen zu fördern und sicherzustellen, dass die Erzeuger einen angemessenen Anteil an der Wertschöpfung erhalten.
Tobias Gotthardt (DE/RE), Mitglied des Bayrischen Landtags, sagte: "Europas Schutz für geografische Angaben garantiert Vielfalt, Heimat und Sinneserbe. Er fördert Resilienz, Innovation, nachhaltige Wirtschaftskraft und ländliche Entwicklung. Er zeigt billiger Kopie und vernichtendem Dumping die rote Karte. In diesem Licht müssen wir ihn weiterentwickeln, stärken und weitergeben. Europas Tradition zu schützen heißt, sie zu kennen, zu leben und zu genießen."
Laut Karine Gloanec-Maurin (FR/SPE), Mitglied des Stadtrates von Couëtron au Perche (Departement Loir-et-Cher), Vorsitzende des Gemeindeverbands Collines du Perche und Berichterstatterin für die Stellungnahme, sind geografische Angaben ein wesentlicher Bestandteil der europäischen Identität: „Frankreich ohne Champagner, Italien ohne Parmesan oder Spanien ohne jamón ibérico – völlig undenkbar! Diese Produkte haben unsere Regionen geprägt und spielen noch heute eine entscheidende Rolle für die Entwicklung des ländlichen Raums, da sie den Erzeugern ein höheres Einkommen sichern und zur Attraktivität ländlicher Gebiete beitragen. Sie sind richtungsweisende Beispiele für die Entwicklung einer qualitätsorientierten europäischen Landwirtschaft. Aus eben diesem Grund unterstützt der AdR die Entwicklung des Systems der geografischen Angaben zu einem freiwilligen Nachhaltigkeitskonzept mit dem Ziel, Erzeuger und Erzeugergemeinschaften zu stärkerem Engagement für die Nachhaltigkeitswende anzuhalten. “
Paolo De Castro (IT/S&D), Mitglied des Europäischen Parlaments und Berichterstatter für die Reform der geografischen Angaben, sagte bei der Erörterung der Stellungnahme dazu: "Es geht nicht um eine Revolution, sondern darum, ein weltweit einzigartiges System weiterzuentwickeln, das schon bislang funktioniert, indem es Mehrwert generiert, ohne dass auch nur ein einziger Euro an öffentlichen Mittel investiert werden muss. Um Verbesserungen für die europäischen Erzeuger von Qualitätsprodukten zu erzielen, ergreifen wir Maßnahmen in vier Bereichen: Stärkung der Rolle der Erzeugergemeinschaften, verbesserter Schutz, Vereinfachung und Klärung der Rolle des EUIPO sowie Nachhaltigkeit. Diese Verordnung bietet zum ersten Mal die Möglichkeit, eine einheitliche Regelung für alle Qualitätserzeugnisse zu schaffen und gleichzeitig die Besonderheiten der einzelnen Branchen zu wahren. Ich hoffe, dass alle in den kommenden Wochen einen Beitrag zur Verbesserung der vorgeschlagenen Regelung leisten werden, damit diese nicht nur manchen Chancen eröffnet, für andere aber zu einer verpassten Gelegenheit wird.“
Wichtigste Punkte der Stellungnahme:
– Der AdR begrüßt die wichtigste Neuerung der von der Europäischen Kommission vorgeschlagenen Reform, die darin besteht, dass das Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) sein Fachwissen auf dem Gebiet der Rechte des geistigen Eigentums und seine Ressourcen bereitstellt. Dieses Fachwissen könnte erheblich zur Stärkung des Schutzes geografischer Angaben beitragen. Diese sollten jedoch nicht wie Marken verwaltet werden, und die Europäische Kommission sollte in ihrem Vorschlag klarstellen, dass die Prüfung durch das EUIPO sich lediglich auf den Bereich des geistigen Eigentums beziehen darf.
– Die laut Kommissionsvorschlag von den Erzeugergemeinschaften in den Produktspezifikationen anzugebenden Kriterien der ökologischen, wirtschaftlichen und soziokulturellen Nachhaltigkeit sollten in der Verordnung und nicht in einem zweiten Schritt in sekundären Rechtsakten festgelegt werden, die sich der Kontrolle des europäischen Gesetzgebers entziehen.
– Erzeugergemeinschaften müssen dazu ermutigt werden, sich besser zu organisieren, damit sie effizient arbeiten und gemeinsam eine wirksame Steuerung des Systems der geografischen Angaben gewährleisten können. Es wäre jedoch nur eine europäische Mindestharmonisierung wünschenswert, um die bereits bestehenden und gut funktionierenden nationalen Systeme nicht zu beeinträchtigen.
– Der AdR spricht sich dafür aus, den regionalen bzw. lokalen öffentlichen Stellen die Möglichkeit einzuräumen, bei der Erstellung des Antrags und beim Verfahren für die Eintragung der geografischen Angaben zu helfen und so den Beitrag der Regionen zur Vorbereitung und zu den Vorstufen des Eintragungsverfahrens für eine neue geografische Angabe zu formalisieren.
– Darüber hinaus fordert der AdR mit Blick auf die territoriale Dimension geografischer Angaben, ihn in den Bewertungsmechanismus des neuen Systems einzubeziehen.
Hintergrund:
Am 1. Januar 2021 waren 3 306 geografische Angaben von den Mitgliedstaaten auf EU-Ebene eingetragen worden. Mehr als die Hälfte der Eintragungen entfällt auf drei Mitgliedstaaten: Italien (858), Frankreich (734) und Spanien (354), gefolgt von Griechenland (270), Portugal (190) und Deutschland (167).
Die meisten geografischen Angaben betreffen die Sparten Wein sowie landwirtschaftliche Erzeugnisse und Lebensmittel (49 % bzw. 44 % der Eintragungen). Auf Spirituosen entfallen 7 % der Eintragungen und 0,2 % auf aromatisierte Weinerzeugnisse.
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