Die COVID-19-Pandemie, der anhaltende Krieg in der Ukraine, der jähe Anstieg der Energiepreise und die haushohe Inflation haben einkommensschwache Haushalte am härtesten getroffen. Armut und Ungleichheit haben zugenommen. Der Europäische Ausschuss der Regionen (AdR) ist daher der Ansicht, dass die Empfehlung des Rates für ein angemessenes Mindesteinkommen in allen EU-Mitgliedstaaten früher umgesetzt werden sollte. Die Stellungnahme wurde von der Vorsitzenden des Stadtrates von Kerava, Anne Karjalainen (FI/SPE), erarbeitet und auf der Plenartagung am 8. Februar verabschiedet.
Ein Kernziel des Aktionsplans zur europäischen Säule sozialer Rechte besteht darin, die Zahl der von Armut und sozialer Ausgrenzung bedrohten Menschen bis 2030 um mindestens 15 Millionen zu senken. Trotz aller bisherigen Bemühungen haben Armut und soziale Ausgrenzung weiter zugenommen. Mehr als 90 Millionen Menschen in Europa waren 2021 von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht, und dies noch vor dem folgenreichen russischen Einmarsch in die Ukraine. Der AdR, der die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften in der gesamten EU vertritt, hält es aufgrund der Dringlichkeit der Situation für geboten, die Umsetzung der Empfehlung um drei Jahre auf 2027 vorzuziehen.
In der von Anne Karjalainen erarbeiteten Stellungnahme wird betont, dass sich die Mitgliedstaaten auf die Ursachen der Armut konzentrieren und wirksame Maßnahmen ergreifen sollten, um gerechte Löhne und menschenwürdige Arbeit, eine gute Grundversorgung, eine angemessene Einkommensunterstützung und individualisierte Sozialleistungen zu gewährleisten. Die Europäische Union und die Mitgliedstaaten sollten gemeinsam mit den Regionen und Kommunen nach konkreten Maßnahmen zur Verringerung und Beseitigung von Obdachlosigkeit und Energiearmut suchen.
„Die rasche Annahme der Empfehlung zum Mindesteinkommen durch den Rat ist ein Schritt in die richtige Richtung. Allerdings müssten ausgehend von dem dringenden Handlungsbedarf zur Gewährleistung eines Mindesteinkommens in der gesamten EU noch weitere Überlegungen darüber angestellt werden, wie der wirksamste Rechtsrahmen für die Umsetzung solcher Maßnahmen auf europäischer Ebene auszusehen hätte“, so die Berichterstatterin. Sie fordert zudem, dass klar definiert wird, was gemäß der Empfehlung unter „verhältnismäßigen“ und „schrittweisen“ Maßnahmen zu verstehen ist.
Estrella Durá Ferrandis (ES/S&D), MdEP und Mitberichterstatterin für die Entschließung des Europäischen Parlaments zu einem angemessenen Mindesteinkommen zur Gewährleistung einer aktiven Inklusion, erklärte:„ Wir müssen dafür sorgen, dass alle Menschen, die sich in einer prekären Lage befinden oder von Armut bedroht sind, durch ein Mindesteinkommenssystem geschützt werden, das die übrigen Beschäftigungs- und Sozialleistungssysteme ergänzt und denen, die es am dringendsten benötigen, ein angemessenes Einkommen garantiert. Um der Armut und der zunehmenden sozialen Ungleichheit beizukommen, sind verbindliche EU-Rechtsvorschriften erforderlich, die für angemessene Mindesteinkommensregelungen in allen Ländern der EU sorgen und die Integration aller Menschen in einen guten Arbeitsmarkt fördern.“
Die Annahme der Entschließung durch das Europäische Parlament soll nächste Woche auf der Plenartagung in Straßburg erfolgen.
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In seiner Stellungnahme weist der AdR darauf hin, dass ein aktualisierter, vollwertiger europäischer Benchmarking-Rahmen für Regelungen zu Mindesteinkommen erforderlich ist, der transparent ist und auf vergleichbaren Daten beruht. Er erinnert daran, dass Armut eine Verletzung der Menschenrechte darstellt und dass wirksame Mindesteinkommensregelungen und einschlägige Dienstleistungen eine stabilisierende Wirkung auf die Gesamtwirtschaft haben: Die Beseitigung der Armut und der Abbau von Einkommensunterschieden fördern nicht nur die soziale Gerechtigkeit, sondern kurbeln auch das Wirtschaftswachstum an.Insbesondere vertritt der Ausschuss die Auffassung, dass die Einkommensunterstützung das Einkommen Bedürftiger über die nationale Armutsgefährdungsschwelle anheben sollte, um die Armut wirklich zu überwinden. Darüber hinaus wird betont, wie wichtig eine rasche und vollständige Umsetzung der Mindestlohnrichtlinie neben der Empfehlung zum Mindesteinkommen ist. Besondere Aufmerksamkeit sollte ferner der Verbesserung der Beschäftigungsquote von Frauen und der Verringerung des Lohngefälles, der Reduzierung der Kinderarmut und der Integration junger Menschen in den Arbeitsmarkt gewidmet werden.
Nach Ansicht des AdR sollten Mindesteinkommensregelungen individuelle Elemente enthalten, die Hindernisse für die Rückkehr ins Erwerbsleben und den Verbleib im Erwerbsleben beseitigen und dafür sorgen, dass Arbeit sich lohnt, was gleichzeitig die soziale Inklusion erhöhen würde. Die Städte und Regionen betonen, dass im Zuge des ökologischen Wandels und der CO2-neutralen Wirtschaft die soziale Dimension berücksichtigt werden muss. In diesem Sinne muss die Weiterbildung von Menschen gefördert werden, die von Arbeitslosigkeit bedroht oder arbeitslos sind oder die außerhalb des Arbeitsmarktes stehen.
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