Peter Florianschütz: " Der Zugriff auf die Registrierungs- und Aktivitätsdaten der Plattformen ist äußerst wichtig, um auch in Zukunft erschwinglichen Wohnraum zu gewährleisten."
Bekämpfung illegaler Aktivitäten und Sicherstellung erschwinglichen Wohnraums für die lokale Bevölkerung durch mehr Transparenz und freien Zugang zu kritischen Informationen: dies sind die wichtigsten Forderungen der europäischen Städte und Regionen, die sie in der am 15. März auf der Plenartagung des Europäischen Ausschusses der Regionen (AdR) einstimmig verabschiedetenStellungnahmevon Roberto Ciambetti, Präsident des Regionalrates von Venetien, an die EU-Institutionen gerichtet haben.
Der Tourismus ist für die Europäische Union von strategischer Bedeutung. Er trägt mehr als 10 % zum Bruttoinlandsprodukt der EU bei und bietet Arbeitsplätze für 26 Millionen Menschen. Kurzzeitvermietungen machen fast ein Drittel des gesamten touristischen Beherbergungsangebots in der EU aus, wozu auch die Expansion von Online-Plattformen beigetragen hat. Die EU-Organe erarbeiten derzeit lange erwartete neue Vorschriften für kurzfristige Vermietungen. Die lokalen und regionalen Entscheidungsträger weisen dabei auf die Auswirkungen eines Sektors hin, der im Laufe der Zeit für Reisende, KMU und die lokale Wirtschaft, insbesondere in ländlichen Gebieten, neue Möglichkeiten erschlossen hat. Gleichzeitig hat er aber auch in europäischen Großstädten aufgrund übermäßiger Tourismusströme und steigender Nachfrage nach erschwinglichem Wohnraum Bedenken geschürt.
Gerry Woop (DE/SPE), Berliner Staatssekretär für Europa, sagte: "In Berlin wurde 2019 die Zahl der für die Vermittlungen durch Plattformen zweckentfremdeten Wohnungen auf ca. 26.500 Wohneinheiten geschätzt. Diese stehen für die Versorgung der Menschen, die in Berlin leben und arbeiten, nicht mehr zur Verfügung. Unter diesem Leidensdruck haben sich einige europäische Städte in ähnlicher Situation, darunter Berlin, in einer Allianz zusammengefunden, um der Europäischen Kommission den Handlungsdruck und Regelungsbedarf zu vermitteln. Diese Bemühungen haben gefruchtet: Dank des Engagements der Städte Amsterdam, Wien, Paris, Barcelona, Brüssel, Prag hat die EU Kommission einen Vorschlag entwickelt, der praktikabel erscheint. Wir sind daher zuversichtlich, damit das Vermietungsgeschehen effektiver kontrollieren und sanktionieren zu können."
Peter Florianschütz (AT/SPE), Mitglied des Wiener Landtags, fügte hinzu: "Wir sehen in vielen Städten wie Wien große Herausforderungen, wenn es um Wohnen geht. Inflation, eine hohe Nachfrage, wachsende Städte und Neubauten werden immer teurer. Wohnraum muss auch in Zukunft erschwinglich bleiben. Wohnungen dürfen daher nicht auf Dauer dem Markt entzogen werden. Das müssen wir vor Ort auch kontrollieren können. Deswegen ist der Zugriff auf die Registrierungs- und Aktivitätsdaten der Plattformen so wichtig. Der Kommissionsvorschlag ist ein wichtiger Schritt dazu und wird jetzt hoffentlich schnell vom Europäischen Parlament und Rat endgültig verabschiedet werden."
Mangelnde Klarheit und Transparenz haben dazu geführt, dass zahlreiche Städte und Regionen in der EU individuelle Maßnahmen ergriffen haben, um die Tätigkeit von Kurzzeitvermietungsdiensten zu überwachen und einzuschränken. Dazu gehören u. a. die Begrenzung von Tagen für die Vermietung einer bestimmten Immobilie, die Erhebung von Steuern und das Verbot von Kurzzeitvermietungen für bestimmte Gebäudearten oder Gebiete. In der Stellungnahme wird daher der Verordnungsvorschlag der Europäischen Kommission begrüßt. Diesem zufolge soll die Transparenz bei Kurzzeitvermietungen durch Erhebung und gemeinsame Nutzung von Daten erhöht werden.
Mehr Transparenz führt zu besserer politischer Gestaltung, und deshalb benötigen die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften freien Zugang zu Daten. Es gilt, einen Sektor mit unterschiedlichen Auswirkungen vor Ort in Europa zu überwachen und zu regulieren. So sind in Gebieten mit besonders aktiven Online-Plattformen die Auswirkungen auf den Immobilienmarkt erheblich: Mieten und Immobilienpreise steigen und der für die lokale Bevölkerung verfügbare Wohnraum nimmt ab.
Die Online-Plattformen müssen zwar ab dem 1. Januar 2023 bestimmte Informationen über Einkünfte durch Vermietung von Wohnraum an die Steuerbehörden melden. Die regionalen und lokalen Entscheidungsträger sind jedoch besorgt über die unterschiedlichen Berichtspflichten gemäß den EU-Vorschriften und dem derzeitigen Verordnungsentwurf. Sie möchten klarstellen, dass Städte und Regionen Zugang zu den einschlägigen Daten haben müssen, um ihre Politik in puncto Tourismus, Verkehr, Wohnungsbau und in anderen Bereichen entsprechend anzupassen. Darüber hinaus fordert der AdR eine weitere Prüfung der Kriterien zur Unterscheidung zwischen professionellen und gelegentlichen Gastgebern. Es geht darum, einen angemessenen Marktzugang sicherzustellen und unnötige Markthindernisse, insbesondere für kleine Betreiber, zu beseitigen. Für kommerzielle Anbieter sollten indes strengere Vorschriften gelten.
Hintergrund
Aus den Daten geht hervor, dass sich die Tourismusbranche 2022 von den Auswirkungen der Pandemie weitgehend erholt hat. In den ersten neun Monaten des vergangenen Jahres wurden 450 Millionen Übernachtungen über eine der vier großen Online-Plattformen der kollaborativen Wirtschaft (Airbnb, Booking.com, Expedia Group, Tripadvisor) gebucht. Dies entspricht einem Anstieg um 57,4 % im Vergleich zu 2021. In fünf Regionen waren mehr als 4 Millionen Übernachtungen in Kurzzeitunterkünften zu verzeichnen: Andalusien in Spanien (6,5 Mio.); Jadranska Hrvatska in Kroatien (5,5 Mio.); Provence-Alpes-Côte d’Azur in Frankreich (5,2 Mio.) Katalonien in Spanien (4,6 Mio.) und Île de France (4,1 Mio.).
Im November 2022 legte die Europäische Kommission einen lang erwarteten Vorschlag für eine Verordnung über die Erhebung und den Austausch von Daten im Zusammenhang mit Kurzzeitvermietungen vor. Der Vorschlag, der ursprünglich für das erste Halbjahr letzten Jahres geplant war, wurde nach einer öffentlichen Konsultation vorgestellt, bei der besonders viele Antworten eingingen.
Am 31. Januar 2023 nahm die Fachkommission für natürliche Ressourcen des AdR die Stellungnahme nach einer Debatte an, an der auch Vertreter des Europäischen Parlaments, der Europäischen Kommission und der Industrie teilnahmen, ebenso wie Emmanuel Marill, Direktor von Airbnb für Europa, den Nahen Osten und Afrika. Eine Videoaufzeichnung der Sitzung ist hier abrufbar.
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